Grün-weiße Talentförderung: Ganzheitlich und nachhaltig
KOORDINATOR BJÖRN SCHIERENBECK ERKLÄRT DAS TOP-TALENTE-PROGRAMM BEI WERDER
12.11.25 von Tineke Ruchel | 8 Min
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Den Traum, Berufsfußballer zu werden, haben viele junge Kicker. Doch der Weg dahin ist alles andere als leicht. Ex-Profi Björn Schierenbeck koordiniert das Top-Talente-Programm des SV Werder und kümmert sich um den bestmöglichen Übergang der Nachwuchsspieler in die Bundesliga.
Die Anforderungen im modernen Profifußball sind gestiegen. Athletik, Mentalität, Spielintelligenz und Belastbarkeit entscheiden darüber, ob ein hochveranlagter Jugendspieler den letzten Schritt wirklich schafft. Wichtiger Bestandteil der Talentförderung im WERDER Leistungszentrum ist dabei das Top-Talente-Programm, das 2016 ins Leben gerufen wurde – mit dem Ziel, den Übergang junger Spieler vom Nachwuchsbereich in den Profifußball systematisch zu begleiten und so weiter zu optimieren.
Damals erkannten die Verantwortlichen die Lücke im System: Junge Spieler trainierten zwar hin und wieder bei den Profis mit, jedoch fehlte ihnen zum Teil die körperliche Grundlage, um auf diesem Niveau mithalten zu können. Auch im mentalen Bereich und damit der sportpsychologischen Betreuung gab es Defizite. Zum Beispiel bei der Frage: Wer fängt einen 18 Jahre alten Nachwuchsspieler auf, wenn er unter der Woche mit der Bundesliga-Mannschaft trainiert, sich Hoffnungen auf einen Einsatz bei den Profis macht, am Wochenende aber wieder für die Junioren aufläuft? Klar war: Es brauchte personelle Ressourcen, um diesen Übergang bestmöglich zu begleiten.
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Dabei ging es in den Anfangsjahren des Top-Talente-Programms zunächst darum, ein Fundament zu schaffen, das den Sprung in den Profibereich erleichtert. Das heißt: Athletiktraining wurde gezielter eingebaut, psychologische Unterstützung verstärkt angeboten und die Verzahnung zwischen Leistungszentrum und Profiabteilung verbessert. Doch was weiterhin fehlte, war die genaue Zuständigkeit. Mal kümmerte sich ein Co-Trainer der Bundesliga-Mannschaft, mal ein Sportlicher Leiter oder gar ein Geschäftsführer um die Top-Talente – immer nebenbei, zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben.
Schließlich entwickelte der SV Werder eine eigene Stelle, deren Fokus auf der Entwicklung der Top-Talente liegt. Seit Oktober 2024 kümmert sich Björn Schierenbeck, ehemaliger Profi und zuvor Leiter des Leistungszentrums der Grün-Weißen, als Top-Talente-Koordinator hauptsächlich um diese Spieler. Auch er stand als junger Spieler einst an der Schwelle zwischen Jugendabteilung und Bundesliga. „In dieser Phase gingen mir viele Gedanken durch den Kopf, weshalb ich anfangs nicht gespielt habe“, erinnert er sich. Diese Erlebnisse kann der 51-Jährige heute nutzen, um den jungen Spielern Orientierung zu geben und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie mit Rückschlägen umgehen können.
Schierenbecks Aufgabe ist es, die ganzheitliche Betreuung der Talente zu koordinieren. Seine Kolleg*innen und er geben den Spielern Feedback, bieten ihnen Videoanalysen und individuelles Training an, sind aber auch abseits des Spielfelds Ansprechpartner*innen und leisten Unterstützung bei Fragen rund um Schule, Ausbildung, Führerschein oder die erste eigene Wohnung. „Wenn es neben dem Platz nicht funktioniert, wirkt es sich meist auch auf den Fußball aus“, betont Schierenbeck. Nicht allein gelassen zu werden, das ist das Ziel des Top-Talente-Programms.
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Doch wie kann man sich die Arbeit als Top-Talente-Koordinator genau vorstellen? Als Schnittstelle zwischen dem Leistungszentrum und dem Bundesliga-Trainerteam sitzt Björn Schierenbeck einmal pro Woche mit den Verantwortlichen um Geschäftsführer Clemens Fritz und Werders Leiter Profifußball, Peter Niemeyer, der sportlichen LZ-Leitung sowie den U19- und U23-Trainern zusammen, um zu planen, welcher Spieler am Wochenende in welcher Mannschaft zum Einsatz kommt. Denn Spielzeit ist ein entscheidender Entwicklungsfaktor. „Eine Nominierung für den Bundesliga-Kader ist schön, aber wenn ein Spieler drei Wochen lang nicht gespielt hat, muss er unbedingt wieder auf den Platz“, weiß Schierenbeck.
Während der Woche begleitet er die Top-Talente beim Training der Profis, am Wochenende bei den Spielen der Nachwuchsmannschaften oder der U23. So entsteht ein kontinuierliches und umfassendes Bild der Entwicklung, und die Spieler wissen, dass sie jederzeit einen festen Ansprechpartner haben, der nah am Geschehen ist. Gleichzeitig sollen die Talente nicht mit Themen überfrachtet werden. Sie sollen abseits des Platzes auch mal abschalten können und Freiraum haben.
Wichtig ist zudem, dass die Nachwuchsspieler, die nicht Teil des Top-Talente-Programms sind, ebenfalls eine sehr gute Chance haben, den Sprung in den Profibereich zu schaffen. Der Unterschied: „Bei den Top-Talenten haben wir den Eindruck, dass sie es sehr früh schaffen können“, erklärt Schierenbeck und vergleicht diesen Sprung mit dem Überspringen einer Klasse in der Schule.
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Nicht zu vergessen: Die jungen Menschen, um die es in diesem Programm geht, sind überwiegend erst 17 oder 18 Jahre alt. Viele von ihnen stehen vor großen persönlichen Veränderungen. Sie machen in dieser Zeit ihren Schulabschluss, suchen zum ersten Mal eine eigene Wohnung oder werden volljährig. „In dieser Phase brauchen sie jemanden, der den Überblick behält und ihnen Sicherheit gibt – gerade, weil die Eltern oft nicht vor Ort sind“, erklärt Schierenbeck. Genau deswegen ist die Betreuung der Spieler bewusst breit gefächert, denn sportliche Förderung, psychologische Unterstützung und individuelle Begleitung gehen Hand in Hand. „Wichtig ist, das richtige Maß zu finden“, weiß Schierenbeck. „Die Jungs dürfen nicht überrollt werden. Sie müssen das bekommen, was sie in der jeweiligen Situation benötigen. Individuell auf jeden eingehen zu können, ist von enormer Bedeutung.“
Ob das Programm erfolgreich ist, lässt sich nicht an einem einzelnen Bundesliga-Einsatz festmachen. Björn Schierenbeck legt einen anderen Maßstab an: „Wenn ein Spieler 50 Bundesliga-Spiele absolviert hat, dann ist er richtig im Profifußball angekommen.“ Es gehe dabei um den langfristigen Erfolg und nicht um eine Momentaufnahme. Spieler wie Nick Woltemade oder Mio Backhaus zeigen, wohin es gehen kann. Das sind die Ziele, die der SVW mit allen Talenten verfolgt, die in das Programm aufgenommen werden. Aktuell sind es elf Feldspieler und zwei Torhüter, um die sich vor allem die beiden Torwart-Trainer Christian Vander und Manuel Klon kümmern.
Zwei von ihnen hatten in der vergangenen Saison nicht nur einen großen Anteil am Gewinn des DFB-Junioren-Pokals mit der U19 der Grün-Weißen, sondern haben mittlerweile auch die ersten
Schritte im Profifußball gemacht: Patrice Covic und Karim Coulibaly durften in der laufenden Spielzeit nicht nur ihr Bundesliga-Debüt feiern. Sie standen sogar bereits in der Startelf. „Wir müssen jungen Spielern Vertrauen schenken und dürfen ihnen dieses nicht bei der ersten Schwächephase nehmen“, betonte Cheftrainer Horst Steffen nach dem turbulenten 3:3 gegen Bayer Leverkusen, das Karim Coulibaly mit seinem Last-Minute-Treffer sicherte.
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Das Top-Talente-Programm ist nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung für den SV Werder. Das Ziel: Mit Spielern aus der eigenen Jugend, die sich in der Bundesliga etablieren, Werte zu schaffen. „Dabei ist es egal, ob ein Spieler später verkauft wird und der Verein von dem Transfererlös profitiert, oder ob er viele Jahre erfolgreich für Werder in der Bundesliga spielt – beides ist ein Gewinn für uns“, unterstreicht Björn Schierenbeck.
Regelmäßige Evaluationen sollen zeigen, welche Maßnahmen des Top-Talente-Programms den Spielern helfen und in welchen Bereichen Anpassungen nötig sind. Dafür ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen mit den Talenten austauschen und überprüfen, was gut und was weniger gut lief. Gleichzeitig soll die Kommunikation zwischen Nachwuchs- und Profibereich weiter gestärkt werden, unter anderem auch durch gezielte Kaderplanung, bei der bewusst Plätze für Talente im Profitraining freigehalten werden.
Langfristig will der SV Werder seine Rolle und seinen sehr guten Ruf als Ausbildungsverein festigen und ausbauen. Die aktuelle Generation rund um Patrice Covic, Karim Coulibaly oder andere hoffnungsvolle Talente zeigt, dass das Programm Früchte trägt. „Am Ende zählt, dass wir die Jungs nicht nur in die Bundesliga führen, sondern dass sie sich dort auch etablieren“, sagt Schierenbeck. „Dann haben wir unsere Arbeit gut gemacht.“
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